Zwei Salzgitteraner Turnerinnen mussten vor ein paar Jahren diese Entscheidung treffen. Sie haben sich für Erfolge auf deutscher und internationaler Ebene entschieden – mit dem Trampolinsport. Im Gerätturnen waren sie bis dato nur auf Bezirksebene unterwegs.
Sind Gerätturnerinnen doch die besseren Trampolinturner? Ja, sagt uns Trampolin- Landestrainer Pavlo Kirchner: „Sie können einfach schon viele Grundlagen, Körperspannung, Beweglichkeit und Handstand zum Beispiel. Mit dem Gerätturnen fangen viele schon früher an.“ Wenn neben Talent und Mut noch der Ehrgeiz da ist, lassen die ersten Erfolge nicht lange warten. Ein Vorteil beim Trampolin: die Konkurrenz ist deutlich kleiner als beim Gerätturnen.
So war es auch bei Nikola Volska und Liska Hirsch, die beiden 14-jährigen WM-Teilnehmerinnen von 2021. Bei Nikola fiel die Entscheidung für das Trampolin schon früh, mit neun Jahren. Doch sie hätte auch eine Gerätturnkarriere hinlegen können, der Aufwand dafür: Mit 8 Jahren hätte sie viermal die Woche zum Training in einen Leistungsstützpunkt nach Schladen oder besser gleich Hannover fahren müssen. Mit zweimal Training unter den begrenzten Möglichkeiten des TSV Salzgitter war sie einer der Besten im Turnbezirk. Von einer internationalen Turnkarriere im Gerätturnen weit entfernt. Zum gleichen Zeitpunkt trat sie als Trampolinturnerin schon bei internationalen Wettkämpfen an.
Bei Liska Hirsch kam das Trampolin später ins Spiel: Erst mit 10 Jahren hat eine Freundin sie mal mitgenommen. Mit 11 Jahren bestritt sie ihren letzten Gerätturnwettkampf in der Bezirksliga. Die Erfolge auf dem Trampolin stellten sich schnell ein – zwei Jahre später, Ende 2020 wurde sie in den Landeskader aufgenommen.
Heute sind Nikola und Liska im Bundeskader und trainieren überwiegend im hannoverschen Olympiastützpunkt. Um die Fahrzeiten zu vermeiden wechselte Nikola zu diesem Schuljahr ins Internat nach Hannover.
Bei diesen Erfolgen fiel der Entschluss für das Trampolin nicht so schwer: „Wäre das Turntraining so wie in Schladen, hätte ich mich damals vielleicht fürs Gerätturnen entschieden,“ verrät Nikola Volska und Synchron-Partnerin Liska Hirsch ergänzt: „hätten wir beim TSV bessere Trainingsbedingungen gehabt, wäre mir die Entscheidung fürs Trampolin zumindest schwerer gefallen.“ Eine Trampolinhalle mit aufgebauten Geräten, mittlerweile mit Schnitzelgrube; kleine Trainingsgruppen im Leistungsbereich und die besten Trainer Deutschlands – das sind die Argumente für die TG Jugenddorf Salzgitter.
Gerätturnen ist nicht nur eine der ältesten Sportarten, es ist eine der schwierigsten. Bei den Frauen werden vier, bei den Männern sechs Geräte geturnt. Diese Vielseitigkeit macht für viele den Reiz dieser Sportart aus. Doch das Trainingspensum für eine Spitzensportkarriere ist enorm und nur ganz wenige aus Niedersachsen nehmen diesen Weg auf sich. Dort wo viel Trainingszeit drin steckt, kostet es den Vereinen Trainer und Hallenzeiten. Ressourcen die gerne oder zwangsläufig für andere Sportler genutzt werden. Dazu kommt eine Geräteausstattung, die eben nur Breitensport zulässt und ständig auf- und abgebaut werden muss.
Nicht überall sind die Gegensätze so krass wie in Salzgitter und nicht jeder Gerätturner ist für die internationale Trampolinlaufbahn gemacht. Aber es muss vielerorts ein Umdenken stattfinden – nur Massen zu bewegen reicht nicht aus.